Skalierung, Optimierung, mehr Leistung, mehr Geschwindigkeit, mehr Umsatz. Im Business wollen wir Ergebnisse sehen, soweit so klar. Aber könnte es sein, dass wir dabei eine Ebene völlig aus dem Blick verloren haben, die zu beachten das eigentliche Bild erst vervollständigen würde? Ein paar Gedanken dazu…
Inhalt:
Hustlemodus on… und dann?
„Hustle ist the most important word ever“
(Gary Vaynerchuck)
Wann immer ich in Marketingabteilungen unterwegs war, war die Reaktion beim Namen „Gary Vaynerchuck“ bzw. „Gary V.“ ein und dieselbe. Anerkennendes Nicken, zustimmende Aha-Ausrufe, ja, „den kennt man natürlich“ und „Uh, was Gary V. sagt, ist quasi Gesetz.“ Der Mann, so heißt es, hat Marketing nicht nur verstanden, sondern ATMET es gewissermaßen. Und alle nicken und sind d’accord und befolgen, was Gary oder all die anderen smarten, meist amerikanischen, meist weißen und männlichen Marketing-Koryphäen sagen.
Zum Beispiel das mit dem Hustlen, übersetzt so viel wie die Eile, das geschäftige Tun, das Ranklotzen, der Stolz in der Stimme beim Berichten von der letzten Nachtschicht, weil man „selbst und ständig“ tatsächlich lebt und alles, aber nicht faul ist. Erfolg-ist-kein-Glück-Attitüde und sich selbst auf die Schulter klopfen, weil man so ein harter Hund ist und so.
Nun. Ich bin da irgendwie verhalten. Obwohl es tatsächlich auch Zitate von Gary V. gibt, die ich deutlich eher unterschreiben würde als dieses, geht es mir am Ende gar nicht darum, ob wir nun Guru A oder B nachrennen. Ob wir bei dem einen oder dem anderen nicken, weil… ja, weil das doch DER Experte schlechthin ist. Ich möchte nur gerne den Gedanken aufs Feld bitten, dass wir vielleicht in all dem „Hustle hard“ eine Ebene irgendwie…. übersehen?
Superlativ-Hunter oder Endstation auf der Bank des Scheiterns?
Marketing, der Bereich in dem ich unterwegs bin, ist ja per se eher so eine Branche der Superlative. Da geht doch noch mehr… die eine Kennzahl ließe sich doch sicher noch optimieren… vielleicht könnte man hier oder da noch mehr rausholen… und irgendwo dazwischen stellt sich mir die Frage: Ist es wirklich das, was wir wollen, oder vergessen wir bei diesen ganzen Parametern vielleicht eine Sache? Eine, die auch wichtig wäre?
Versteh mich nicht falsch: Natürlich ist es wichtig, Dinge umzusetzen. Natürlich fallen die Ergebnisse nicht einfach so vom Himmel, wie die müde gewordenen Blätter im Oktober. (Es sei denn, man glaubt den Flow-Marketern, dann kann das schon passieren). Natürlich brauchen wir als Selbstständige Umsatz und unsere Zahlen zu kennen, ist sinnvoll und wichtig.
Aber ich glaube, wir haben uns auf dieser Jagd nach den Superlativen irgendwann ein Monster erschaffen und uns völlig unbemerkt zu Marionetten unserer eigenen Must-Do-Listen gemacht. Was man so tun muss, das passt inzwischen auf keine Din-A-4-Seite mehr. Wohl nicht mal mehr auf einen ganzen Block. Wiegt dafür aber unangenehm schwer auf dem Gemüt derjenigen, die noch ganz am Anfang stehen und derer, die sich irgendwo zwischen Skalierungsschritt 3 und 28 verloren haben. Einfach die Orientierung verloren, obwohl sie es doch so sehr wollten.
Aber vielleicht sprechen so auch nur die, die es noch nicht geschafft haben?! Die, die halt einfach nur so mittendrin sind und noch nicht ihr Empire vollendet haben. Haben wir unternehmerisch versagt, wenn wir noch nicht die 100.000, 1.000.000 oder 100.000.000 geknackt haben? „Es“ nicht geschafft? Aber was ist das überhaupt, „es geschafft haben“?
Zu welchem Erfolg haben wir uns aufgemacht?
Das große Wort Erfolg. Ja, das ist doch immer das eine Ziel! Aber hast du dich auf dem Weg mal gefragt, wie sich Erfolg wirklich für dich anfühlt? Ich persönlich merke beim Erreichen mancher Meilensteine immer wieder beides: Ja, Erfolg fühlt sich gut an. Und manchmal aber auch ganz schal. Weil der Preis für ihn zu hoch war. Letztlich bestücken wir doch immer eine Waage.
Bei diesem Bild muss ich an meinen Vater denken, der früher auf seinen Verkaufsfahrten immer auf die große Waage achten musste, wenn er den richtigen Preis finden wollte. Ein bisschen hier dazu, nein, das war zu viel, noch was weg, geduldig, ausprobierend, irgendwann aus Erfahrungswissen flinker, bis das Gleichgewicht gefunden und der richtige Wert ermittelt wurde.
So sehe ich uns Selbstständige auch. Sollten wir nicht erst einmal selbst definieren, was auf der einen Seite der Waage aufliegt, bevor wir den Preis dafür ermitteln?
Was ist es denn, was du als Erfolg empfindest?
- 50.000 Euro Umsatz, 100.000 oder 1.000.000?
- Nur 10h, 20h oder 30 h pro Woche arbeiten?
- Zeit für die Familie haben?
- Das Leben anderer Menschen erleichtern oder verschönern?
- Arbeitsplätze schaffen?
- Das Haus am Meer kaufen?
- Tiere in Not retten?
- Dir einen Namen machen als Expert*in für XY?
Erst wenn wir das wissen, können wir doch vernünftig haushalten und überprüfen, wie viel Zeit, Geld und andere Ressourcen wir auf der anderen Seite der Waage auflegen. In der Realität sehe ich uns aber immer nur aufladen und aufladen und dann verdutzt bis entsetzt gucken, wenn das ganze Gebilde plötzlich kippt.
Dann sind wir angekommen, dort beim gar nicht näher definierten Erfolg und fühlen uns gar nicht so glücklich, wie wir es doch sollten als Gewinner-Typen, die „durchgehalten“ und „sich durchgebissen“ haben. Für was genau eigentlich?
Wie sehr kann man den Gipfel noch genießen, wenn man sich schon auf dem Zahnfleisch kriechend den Weg entlangschleppte? Und was genau wartet an diesem Gipfelkreuz? Hat überhaupt irgendjemand gecheckt, zu welchem Gipfel man da keuchend unterwegs war? Und müssen wir den Gipfel immer schon vorher kennen, oder dürfen sich unsere Ziele auf dem Weg verändern, so wie die eine Wanderroute plötzlich doch schöner aussieht als die, zu der man morgens aufgebrochen ist?
Ab wann ist ein Business erfolgreich genug?
Ich habe für mich inzwischen einige Stellen definieren können. Auch dank der Erfolge, die ich erreichen wollte und dann gar nicht so berauschend fand, wie ich dachte. Hinterher ist man immer schlauer und so.
Guten Umsatz machen finde ich sehr wohltuend, weil es mir Ruhe gibt und es viel leichter macht, Entscheidungen zu treffen. Liegt definitiv auf meiner Seite mit der Erfolgsdefinition. Freie Zeiteinteilung ist ebenfalls einer der Faktoren, die ich unbedingt in meinem Business haben möchte. Und mit den Menschen arbeiten, bei denen mein Herz sich einfach warm und weit anfühlt. Manchmal war ich zu sehr in Richtung eines einzigen Zieles unterwegs und habe vergessen, die Waagschalen gleichmäßig zu befüllen. Da hatte ich dann zum Beispiel tolle Umsätze, aber gar keine Zeit mehr. Oder richtig viel gelernt, aber zu wenig Einkommen generiert. Alle Faktoren, die ich persönlich für mich als Erfolgsmarker definiere, gleichermaßen zu erreichen, ist das Ziel.
Und nein, es muss auch gar nicht alles, was denkbar wäre, auf der einen Seite der Waage Platz finden.
Manchmal, nein eher sehr häufig, schnappte ich unterwegs auch Ziele auf, die gar nicht meine waren. Ausgebucht sein zum Beispiel. Finanziell toll, aber für die persönliche Freiheit ein Graus. Ein vollgestopfter Terminkalender: Bitte nicht!
Ein großes Team aufbauen. Klar, irgendwie logisch, weil ein wachsendes Unternehmen mehr Hände braucht und man ja nur in seiner Genius-Zone unterwegs sein soll. Aber andererseits möchte ich vielleicht gar kein so großes Team? Ich hasse Meetings und je mehr Leute für eine Entscheidung notwendig sind, umso umständlicher finde ich das. Alles hat seine Vor- und Nachteile und letztlich gibt es keine Instanz, die sagt, welches Ziel erstrebenswert ist und welches nicht. Doch eine gibt es, nämlich immer dich selbst für dich selbst in diesem Moment.
Und wie nun weiter?
Am Ende komme ich immer bei der Balance raus. Bei diesem goldenen Mittelweg, der mir inmitten der Superlative und Höher-schneller-weiter-Goals beinahe schnöde und fad erscheint. Kann er sich denn nicht auf eine Seite schlagen? Die Mitte, hm. Nun denn.
Aber ich fühle mich da ehrlich betrachtet sehr wohl, denn wer sagt, dass die Mitte immer exakt mittig verläuft und nicht einfach die Summe aller möglichen Varianten ist? Ich mag die Mitte zwischen Tun und Ruhen, zwischen Wachstum und Blüte, zwischen einem Schritt vor und einem zurück, oder auch mal zwei zurück, um dann wieder drei auf einmal nach vorn zu nehmen. Und ich frage mich: Muss ich mich einem Team zuordnen? Dem „Team Hustle“ oder dem „Team Relax“? Oder kann ich nach Lust und Laune zwischen beiden springen, je nachdem wessen Gewicht gerade nötig ist für dieses, für MEIN nächstes Ziel?
Ich glaube nicht mehr an Extreme. Und ein anderes Mal liebe ich sie.
Ich glaube an Persönlichkeit, an Einzigartigkeit, an Phasen, die extrem sind, aber eben auch die, die überhaupt nicht titelseitenverdächtig daherkommen, sondern ganz fein und leise. Und daran, dass unsere schillerndsten Farben an manchen Tagen auch pastellig-soft sein dürfen, wenn ihnen eben danach ist. Das schmälert unser Strahlen nicht. Im Gegenteil, es macht uns so viel echter.
Wie geht es dir auf dem Weg zum Erfolg, was auch immer das für dich bedeutet? Vielleicht auch gerade in dieser Zeit? Schreib es mir gerne in die Kommentare. “ />