Ein Gastartikel von Michelle Bucher von Buchfink Design
Wusstest du, dass das Internet gleich viel CO2 ausstösst, wie der GESAMTE Flugverkehr? Auch wenn digital als die nachhaltigere Alternative gegenüber vom Papierbüro angepriesen wird, ist hier weniger definitiv auch mehr.
Jedes Bild, jeder Text, jede Webseite verursacht CO2. Nur merken wir das nicht, weil die Server, die mit literweise Wasser gekühlt werden, nicht im eigenen Keller stehen – die alten Ordner vor der digitalen Zeit aber schon.
Ich will hier jetzt keinesfalls zum Papierkrieg aufrufen, aber möchte mit diesem Einstieg aufzeigen, dass es sich sehr wohl lohnt, auch mit der digitalen Welt nachhaltig und achtsam umzugehen. Und da ich Webdesignerin bin, geht es in diesem Artikel darum, wie du deine Webseite nachhaltig und achtsam gestalten kannst.
Das gute ist: eine nachhaltige Webseite nützt dir auch was, wenn du nicht unbedingt im Ökosektor angesiedelt bist mit deinem Angebot. Aber dazu weiter unten mehr.
Inhalt:
Was gehört zu nachhaltigem Webdesign?
Egal, ob du deine Webseite schon aufgebaut hast oder nicht – gehen wir mal Schritt für Schritt durch, was du alles für mehr Nachhaltigkeit auf deiner Webseite beachten und integrieren kannst.
Ökohost
Die Basis: Woher kommt der Strom für den Server, wo deine Webseite gehostet (gespeichert) wird? Es gibt eine Auflistung von Utopia, wo du nachschauen kannst, wie grün dein Host ist, oder dich inspirieren lassen kannst, bei wem du deine Seite hosten könntest.
Natürlich gibt es Extra-Punkte, wenn dein Host nicht nur Ökostrom nutzt, sondern auch sonst noch nachhaltig unterwegs ist (zum Beispiel faire Mitarbeitenden-Bezahlung, CO2 kompensiert,…).
Passendes Theme
Wenn du deinen Ökohost gefunden hast, geht es daran, ein Webseitensystem zu finden. Ich nutze WordPress für mich und meine Kund:innen. Hier gibt es tausende von Themes, wobei es natürlich bessere und schlechtere gibt. Achte bei der Auswahl darauf, dass es möglichst schlank (heisst, wenig Speicherplatz braucht) und schon suchmaschinenoptimiert ist.
Schlank und rank: Bilder- und Videogrösse anpassen
So, jetzt geht es ans Designen und Befüllen deiner Webseite. Überlege dir, ob es unbedingt ein Video sein muss, oder ob vielleicht ein Bild auch reicht. Wie gross muss das Bild erscheinen? Und braucht es wirklich so viele auf der Webseite? Verkleinere deine Bilder und Videos vor dem Hochladen auf die Grösse, die sie auf der Seite brauchen. Und komprimiere die Bilder danach zum Beispiel mit tinypng.
Inklusive, relevante und klare Texte
Die Basis für gute Texte ist eine klare Positionierung. Damit fällt es dir einfacher, mit dem was du sagen möchtest, auf den Punkt zu kommen. Klar brauchen Buchstaben nicht so viel Strom wie ein Bild, aber auch hier: unnötiges Gebrabbel lieber löschen.
Mit einer Keyword-Recherche kannst du schon im vornherein herausfinden, welche Themen relevant sind und welche eher nicht. Zudem kannst du mithilfe von gendergerechten Sprache und und gut verständlichen Texten auch mehr Leute ansprechen.
Schriften
Schriften sollten gut lesbar sein. Und für Webseiten bietet es sich an, sogenannten Web Safe Fonts zu nutzen, die auf allen digitalen Systemen schon vorinstalliert sind. Das ist manchmal nicht mit dem Corporate Design vereinbar. Anstatt Google Fonts direkt zu nutzen, kannst du diese einbinden (oder von Webdesigner:innen einbinden lassen) und zwar am besten in WOFF oder WOFF2 Format. Es gibt auch eine ganze Menge weitere Open Source Schriften, die du dir aussuchen und auf deiner Webseite nutzen kannst.
Dark Mode
Wusstest du, dass nicht alle Farben gleich viel Energie brauchen, um an (bestimmten) Bildschirmen dargestellt zu werden? Ein Dark Mode für die Webseite zu haben, kann also nochmals erheblichen Einfluss auf den Stromverbrauch deiner Webseite haben. Dafür gibt es ebenfalls Plugins bei WordPress. Und ja, grün ist tatsächlich eine „ökologische“ Farbe und braucht weniger Strom als zum Beispiel blau.
Schnell, schneller, am schnellsten
Die Ladegeschwindigkeit beeinflusst nicht nur, wie schnell deine Webseite ist, sondern auch wie nachhaltig. Die Schnelligkeit hängt natürlich wieder teils davon ab, was alles auf der Webseite drauf ist – kleine Bilder, wenig oder keine Videos – du erinnerst dich?
Zusätzlich kannst du ein Caching-Plugin verwenden, welches bestimmte Daten der Webseite temporär speichert und so bei Aufruf nicht jedes Mal übertragen werden müssen.
Testen
Du möchtest gerne wissen, wie nachhaltig deine oder eine andere Webseite ist? Dann verlinke ich dir hier ein paar coole Tools, mit denen du das in sekundenschnelle testen kannst:
So, damit ist deine Webseite jetzt schon mal sehr viel nachhaltiger. Aber wie achtsam ist sie denn?
Was gehört zu achtsamem Webdesign?
Mensch und Mitwelt im Zentrum
Wie sollen sich deine Webseitenbesucher:innen auf deiner Webseite fühlen? Ich weiss nicht, wie es dir geht, aber um mich digital wohl zu fühlen, brauche ich viel Ruhe und definitiv keine blinkenden, aufploppenden oder sonst irgendwie nervigen Designelemente.
Wer sind deine Besucher:innen und wie geht es ihnen, wenn sie auf deiner Webseite auftauchen? Wenn du zum Beispiel Coaching für Menschen mit Burnout anbietest, ist das letzte, was diese Menschen auf deiner Seite möchten, mit Pop-ups, Countdowns, unübersichtlichen und manipulativen Elementen genervt zu werden. Ruhe, Klarheit und Einfachheit wird aber wahrscheinlich von fast allen bevorzugt 😉
Beim Erstellen deiner Webseite kannst du also nicht nur deinen Umsatz im Blick behalten, sondern zuerst einmal deine Kund:innen. Und natürlich auch die Umwelt – in dem du deine Webseite nachhaltig gestaltest.
Klarheit und Einfachheit
Achtsamkeit im Webdesign hat viel mit Klarheit und Einfachheit zu tun: Je intuitiver, übersichtlicher und leichter du es Kund:innen machst, das zu finden, was sie wirklich wollen, desto achtsamer gehst du auch mit ihrer Zeit um.
Keine leeren Versprechen, kein unnötiges Blabla, keine unnötig komplizierten Sätze, dafür mehr von einfachen Abläufen für Bestellungen, Abmeldungen und zum Navigieren.
Achte dich einfach mal darauf, wenn du selbst etwas im Jungle des Internets suchst. Wo gefällt es dir und wie sind diese Seiten aufgebaut?
Datenschutz
Weisst du welche Daten du über deine Besucher:innen sammelst und wohin die überall gehen? Denn auch ein achtsamer Umgang mit Daten gehört für mich zu einer guten Webseite dazu.
Datenschutz mag für viele nervig sein, es hat aber sehr viel mit Respekt und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kund:innen, die auf deiner Seite gelandet sind, und Interesse an deinen Produkten haben und wahrscheinlich nicht daran, dass du ihre Daten gleich mal Marc Zuckerberg zur Verfügung stellst, damit der noch mehr Kohle machen kann.
Mit der Einbindung von Social Media auf deine eigene Webseite, dem sogenannten Pixel (einem Codeschnipsel), werden alle Daten an die jeweilige Plattform weitergeleitet, die sie dann wieder zur Optimierung von Werbeanzeigen verwenden können. Auch da, kannst du dich entscheiden, ob du dies tun möchtest.
Wie viele Daten brauchen wir also wirklich von unseren Kund:innen? Wollen wir diese Daten direkt an Google weitergeben, indem wir Analytics nutzen und uns danach auch noch in dieses hochkomplexe System eindenken und mehr Zeit mit analysieren als mit anderen Aufgaben verbringen?
Es gibt viele Website-Provider, die auch Statistik-Funktionen anbieten, wo aber längst nicht so viele Daten gesammelt werden (was auch weniger Speicherplatz bedeutet) und sie auch nicht an die Datenkraken weiterleitet. Du siehst – es gibt immer eine Lösung.
Dark Patterns
Einmal mehr wird klar, dass achtsames und nachhaltiges Webdesign Arm in Arm gehen. Denn mit sogenannten Dark Patterns (dunklen Designtricks, die Menschen zu etwas bringen, was sie eigentlich gar nicht wollen) fallen beispielsweise viel mehr Käufe in der Fast Fashion Industrie an (ergo mehr Transporte, mehr Polyester, mehr Retouren = mehr CO2).
Es führt aber auch dazu, dass sehr viele Menschen ungewollt mehr Daten preisgeben, als sie eigentlich wollen. Und das ist nicht sehr ethisch. Menschen absichtlich auszutricksen ist weder nett noch achtsam.
Gestalte beispielsweise deinen Cookie-Banner mit zwei gleichwertigen Optionen: Annehmen und Ablehnen. Eine Anleitung, wie du deine Webseite ohne Dark Patterns designen kannst, findest du hier.
Inklusion
Barrierefreiheit, Gendersprache, einfache Texte. All das kannst du tun, um alle Besucher:innen, unabhängig von körperlichen oder geistigen Fähigkeiten auf deiner Seite willkommen zu heissen.
Konkret heisst das: Textalternativen (ALT-Texte) für Bilder und Untertitel für Video oder Audio-Inhalte hinzuzufügen. Aber auch klare Kontraste, gut lesbare Schriften trägt zur Barrierefreiheit dazu. Nicht zuletzt kannst du genderneutrale Ausdrücke oder Doppelpunkt/Sternchen nutzen, um jegliche Geschlechter anzusprechen. Soziale Nachhaltigkeit in Action 😉
Und vielleicht sogar Marketing ohne Social Media?
Während du deinen Ökohost selber aussuchen kannst, hast du keinen Einfluss auf Facebook, Instagram und Co. Marc Zuckerberg wird sein Geschäftsmodell mit Daten wohl kaum einstellen, nur weil du das nicht so ethisch findest. Zudem kannst du nicht kontrollieren, wo und mit welchem Strom deine Social Media Posts gehostet werden.
Und ja, nur weil du selbstständige bist, heisst das nicht, dass du zwingend Social Media für dein Marketing nutzen musst – es gibt Alternativen…
In der Umsetzung dieser Punkte beweist du, dass du deine Kund:innen respektierst und ihnen gegenüber ehrlich, transparent und authentisch bist. Und das sind doch schon mal einfach unschlagbare Vertrauens-Aufbauer.
Warum ist eine nachhaltige und achtsame Webseite für jegliche Unternehmen sinnvoll?
Meine oben genannten Punkte sind nicht nur dann sinnvoll anzuwenden, wenn du explizit ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen möchtest. Denn die allermeisten Punkte führen auch dazu, dass deine Webseite besser von Suchmaschinen gefunden wird und schneller geladen wird (was auch Pluspunkte fürs SEO gibt).
Eine schnelle Ladegeschwindigkeit ist übrigens extrem wichtig. Wenn die Seite selbst nur einige Sekunden braucht, können Kund:innen schon abspringen, weil das einfach zu langsam ist. Mobile Nutzer:innen deiner Seite werden dir besonders dankbar sein (und glaub mir, das macht in den meisten Fällen einen Grossteil deiner Besucher:innen aus).
Durch die Fokussierung auf das Wesentliche in klaren Worten wird deine Botschaft auch schneller ersichtlich, Kund:innen müssen weniger lang suchen, lesen und scrollen, um an die Lösung ihres Problems zu kommen. Win-Win für alle.
Viel Spass beim Umsetzen meiner Tipps, ich hoffe, sie waren hilfreich für dich.
Beflügelte Grüsse
Michelle von Buchfink Design
Michelle Bucher ist Grafik- und Webdesignerin mit dem Fokus auf nachhaltigen und achtsamen Websites. Mehr über sie und ihre Arbeit findest du hier auf ihrer Website.
Liebe Sonja,
eine nachhaltige Website zu haben, ist ein sehr erstrebenswertes Ziel. Auch ich gehöre zu den Menschen, die eine klare und praktische Website bevorzugen. Zu viel Text oder auch eine hohe Anzahl an Bildern und grellen Farben sind nicht meine Wahl. Du hast das Wohlfühlen des Users angesprochen: In meinen Augen der wichtigste Faktor!
Liebe Grüße
Nick
Hallo Nick,
danke für deinen Kommentar! In dem Fall war es Michelle, die den tollen Artikel zur Verfügung gestellt hat. Ich stimme dir (und ihr) zu: Dass sich die Menschen auf unserer Seite wohlfühlen, ist auch aus meiner Sicht ein ganz entscheidender Faktor. Schön, dass das immer mehr in den Fokus rückt! 🙂
Viele Grüße
Sonja
Hallo Sonja und Michelle,
das sind wirklich sehr hilfreiche Tipps und Erklärungen! Eine nutzerorientierte und übersichtliche Seite sollte immer das oberste Ziel sein, insbesondere wenn sie dazu auch noch nachhaltig ist. Außerdem werde ich nun auch die vorgestellten Tools zum Testen der Nachhaltigkeit einer Webseite ausprobieren, diese waren mir bisher noch nicht bekannt!
Viele Grüße
Antonia
Hallo Antonia,
danke für deinen netten Kommentar! Schön, dass du das bestätigen kannst und ganz viel Freude beim Ausprobieren der Tools!
Herzliche Grüße
Sonja