Kreative Arbeit mit einem Preisschild zu versehen, ist verdammt schwer und löst vor allem bei sensiblen Menschen, die ihre Entscheidungen mehrfach reflektieren, oft Selbstzweifel aus. Kann ich das wirklich verlangen? Wie rechtfertige ich meinen Preis? Ist es das überhaupt wert? Und wie kommuniziere ich das? Meine besten Tipps dazu und den entscheidenden Perspektivwechsel, der deine Sicht auf das Thema ändern kann, findest du in diesem Artikel.
Inhalt:
Kreative Arbeit und die Frage nach ihrem Preis
Wenn Kreative mit ihren Kund*innen über die veranschlagten Kosten von Texten, Logos oder Illustrationen sprechen, stoßen sie oft auf folgende Reaktionen:
- „Waaas, so viel für einen kurzen Text/ein einfaches Design???“
- „Aber für dich ist das doch kein großer Aufwand!“
- „Das ist ja nur ein einziger Artikel/eine Grafik, ich brauche ja noch viel mehr. Da darf eins nicht so viel kosten!“
- „Bitte? Was ist deine Berechnungsgrundlage?“
- „Was bedeutet das umgerechnet in Stunden?“
Ich glaub, dass viele dieser Reaktionen gar nicht böse gemeint sind, sondern schlichtweg aus Ahnungslosigkeit resultieren. Ich stoße vor allem bei Menschen, die noch nie eine kreative Dienstleistung in Anspruch genommen haben, auf solche und ähnliche Reaktionen und merke, dass all diese Menschen eins gemeinsam haben: Sie können kreative Arbeit nicht richtig einordnen. Eine defekte Bremse am Auto reparieren zu lassen scheint da viel greifbarer. Denn was ist dafür nötig? Eine neue Bremse und die Arbeitszeit eines fachkundigen Automechanikers. In den Köpfen der Kunden macht das dann:
Materialkosten + Kosten für die Arbeitszeit = Preis
Diese Annahme wird dann – verständlicherweise – auch auf andere Arbeiten übertragen, zum Beispiel auf kreative Dienstleistungen. Die Krux bei der Sache: Kreativarbeit funktioniert anders und ist ein komplexeres Konstrukt. Auf die Fragen „Was kostet ein gutes Design?“ oder „Wie viel darf ein guter Text kosten“ gibt es keine so eindeutige Antwort. Denn im Gegensatz zum Kauf von beispielsweise zehn Notizblöcken, die zehnmal den Einzelpreis eines Blockes kosten, zahlst du bei einem Text mit 1000 Wörtern nicht umgerechnet den zehnfachen Preis eines Textes mit 100 Wörtern. Es kommt auf den Kontext an, beispielsweise darum, um welche Art von Text es sich handelt, wie viel Recherchearbeit nötig ist, wie klar die Zielgruppe bereits definiert oder noch herausgearbeitet werden muss, etc. Am Ende können fünf Wörter teurer sein als 1000, ein Slogan teurer als ein Blogartikel. Wenn deine Kund*innen das verstehen, wird sich auch ihr Blickwinkel auf deine Preise für Website-Texte, Blogartikel, aber auch auf Logos, Webdesigns oder auch individuell designten Schmuck ändern.
Kreativarbeit richtig verstehen
Wie ist das, mit Kreativität Geld zu verdienen? Warum erscheint kreative Arbeit in den Augen vieler Kund*innen oft als zu teuer? Auch deshalb, weil sie als Laien nicht wissen können, dass hinter einem kreativen Werk, also dem Endprodukt, das sie kaufen möchten, ein langer kreativer Prozess steht. So ist ein Text niemals der Kauf von x Wörtern, sondern der Kauf von vielen Gedanken, die sich Texter*innen vorab machen müssen, um eben diese x Wörter zu produzieren. Sie:
- arbeiten sich in das Thema der Kund*innen ein
- entwickeln ein Gefühl für die Zielgruppe der Kund*innen und das Angebot
- überlegen sich eine Strategie, wie sie die Zielgruppe ihrer Kund*innen erreichen können
- recherchieren und verifizieren Informationen
- ordnen den Text im Gesamtkontext ein
- grübeln über Ideen
- schreiben Rohtexte
- verfeinern diese in mehreren Schritten
- ändern die Perspektive
- bringen neue Betrachtungsebenen hinein
- formulieren um und aus
- wählen noch passendere Begriffe für die zu erzielenden Emotionen aus
- lassen die Texte ruhen
- optimieren sie nach etwas zeitlichem Abstand
Ein Text ist ebenso wie ein Logo, eine Illustration oder eine Skulptur kein geradliniger Arbeitsprozess. Es gibt kein Schema F, wie es beim Einbau der neuen Bremse ist. Beim Schreiben, Designen und Entwerfen gibt es zwar auch einen Rahmen, aber die Tätigkeit innerhalb dieses Rahmens variiert von Auftrag zu Auftrag und von Kunde zu Kunde sehr stark. Wäre dem nicht so, wäre eine Grafikdesignerin nicht in der Lage zwei unterschiedliche Logos für Kund*innen aus derselben Branche zu kreieren. Kreative Arbeit bleibt immer individuell und lässt sich niemals aufs Kleinste genau vorausplanen. Letztlich birgt sie auch immer das Risiko, dass die perfekte Idee einfach mal auf sich warten lässt und nicht exakt vorhersehbar in Arbeitsstunde 2 vorbeikommt. Von höheren Kosten, geringerer Absicherung, fehlenden Einkommen im Krankheitsfall, Aufwand und Ausgaben für Eigenmarketing, Arbeitsmaterial und all diesen Themen, die alle Selbstständigen betreffen, ganz zu schweigen. All das fließt letztlich in den Preis für kreative Arbeit ein.
Unsichtbare Kosten für kreative Arbeit
Ich verstehe es gut, wenn Menschen, die sich mit dem Designen oder Schreiben nur aus der Kundenperspektive beschäftigen, dazu neigen, alles auf den nötigen Zeitaufwand für das Designen oder Schreiben selbst runterzurechnen. Aber es ist eben so, dass kreative Arbeiten aus zahlreichen Komponenten und Einzelschritten besteht, die den Kund*innen selbst nicht bewusst sind. Die nötigen Vorbereitungen, das Einfühlen, das Einarbeiten, das Verfeinern und vieles mehr braucht Zeit. Das ist anfangs schwer nachvollziehbar, aber unabdingbar, wenn das Werk als Endprodukt wirklich das leisten soll, was sich Kund*innen davon erhoffen: ein einzigartiges Ergebnis, das den Vorstellungen des Kunden entspricht und ihm die erwünschten Vorteile bringt.
Der Wert bestimmt den Preis
Auch wenn die Kosten von kreativer Arbeit für Kund*innen oft schwer nachvollziehbar sind, solltest du dich als Kreativschaffende*r nicht dafür rechtfertigen oder an dir selbst und an deinen Preisen zweifeln. Ermögliche es deinen Interessent*innen lieber, deine Preise nachvollziehen zu können, indem du den Wert deiner Arbeit richtig kommunizierst. Sag deinen Kund*innen nicht klagend, was du alles lernen musstest und während des kreativen Prozesses tust, bevor sie deine Ideen und Werke kaufen können. Erkläre lieber glasklar, was sie davon haben. Denn wenn Menschen den Wert eines Angebotes für sich klar erkennen, sind sie auch bereit, Geld zu investieren.
Warum sonst gäbe es Käufer*innen für 1000-€-Smartphones, wenn es auch welche für 200 € gibt? Menschen, die aus freien Stücken einen höheren Preis zahlen, tun das, weil sie für sich einen höheren Wert erkennen. Irgendetwas an dem teuren Smartphone spricht sie so sehr an, dass sie bereit sind, den höheren Preis zu bezahlen. Die Grüne dafür können ganz unterschiedlich aussehen:
- ein schöneres Design
- komfortablere Funktionen
- das Gefühl ein Statussymbol zu besitzen
Wenn du es also schaffst, den Wert deines Angebotes so zu kommunizieren, dass deinen Interessent*innen klar wird, was sie da eigentlich Geniales erwerben wollen, verlässt du die Ebene von Rechtfertigung und schlechtem Gewissen und betrittst die Ebene der Wertschätzung für deine kreative Arbeit. Auf dieser Ebene erzielst du für deine Kund*innen die besten Ergebnisse. Das wohl wichtigste Argument, wenn du deine Preise erklären möchtest: Wenn Kunden deinen Preis zahlen und nicht versuchen ihn zu drücken, gönnen sie sich letztlich selbst das bestmögliche Ergebnis für ihr Unternehmen. Geld bedeutet Wertschätzung und Raum zur Entfaltung der kreativen Ideen. Und diese Wertschätzung und dieser Freiraum geben dir die Möglichkeit, hervorragende Arbeit zu erbringen.
Formulierungshilfen für Preisangaben
Wie kannst du deine Preise nun so kommunizieren, dass deine Kund*innen den Wert deiner Arbeit verstehen? Überlege dir, was du deinen Kund*innen eigentlich verkaufst. Nehmen wir als Beispiele einen Website-Text, ein Webdesign und ein Gemälde. Für den Interessenten verkaufst du auf den ersten Blick ein Stück Text, ein Stück Logo oder eben ein Bild. Aber darüber hinaus, verkaufst du mit dem Text möglicherweise:
- ein empathisches Einfühlen in die Zielgruppe und dadurch höhere Kaufraten
- eine bessere organische Reichweite und dadurch mehr potenzielle Kund*innen
- eine professionelle Positionierung als Expert*in und dadurch höhere Honorare
Und ein Webdesign verkauft nicht nur den Look der Website, sondern auch:
- eine hohe Benutzerfreundlichkeit und dadurch höhere Abschlussraten
- eine hohe Wiedererkennbarkeit und eine bessere Kundenbindung
- eine schnellere Ladegeschwindigkeit und dadurch niedrigere Absprungraten
Ein einzigartiges Gemälde bedeutet für deine Kund*innen:
- eine spürbare Aufwertung des Wohn- oder Arbeitsbereichs, in dem das Gemälde hängen wird
- eine angenehme Atmosphäre, in der sie mit ihren Kund*innen, Klient*innen und Co. besser verhandeln können
- ein gutes Gefühl und gesteigertes Selbstbewusstsein, jeden Tag, wenn sie am Bild vorbeikommen und es betrachten
Finde also heraus (oder lass dich dabei unterstützen), was deine kreative Dienstleistung oder dein kreatives Werk deinen Kund*innen bringt und kommuniziere diesen Wert gemeinsam mit deiner Preisnennung.
Und denk immer daran: In Zeiten zunehmender Automatisierung von sehr vielen Arbeitsschritten sind kreative Ideen ein unsagbar kostbares Gut, denn diese lassen sich nicht einfach wie am Fließband produzieren.
Hast du Schwierigkeiten den Wert deiner Arbeit richtig zu kommunizieren? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren.