„Du musst dich echt und authentisch zeigen!“ sagen Marketing-Expert*innen. Oder auch: Teile persönliche Geschichten; Storytelling macht den Unterschied. Und ja: Das sehe ich auch so. Was ich aber nicht so sehe und zunehmend erstaunt beobachte ist, dass authentisches Marketing einem Seelen-Striptease gleichkommt. Steigen wir tiefer ins Thema ein.
Inhalt:
Der große Vorteil von authentischem Marketing
Was hat es mit dieser Authentizität im Marketing auf sich, die alle für unverzichtbar halten? Und warum brauchen wir sie überhaupt, wo es doch um unsere Kund*innen und die Lösung ihrer Probleme geht? Nun, ganz grundsätzlich kaufen Menschen gerne von Menschen. Das war schon immer so, sicher kennst du auch den guten alten Weg der Mundpropaganda: Es spricht sich rum, wo es etwas Gutes gibt. Oder mit wem die Zusammenarbeit besonders angenehm war.
Menschen bewerten nicht nur die Qualität deiner Produkte bzw. Arbeit, sondern gerade in persönlichen Zusammenarbeiten wie Coachings, persönlichen Beratungen oder Freelance-Unterstützung auch, wie es ist mit DIR zu arbeiten. Völlig normal und auch wunderbar, denn der Faktor Persönlichkeit macht uns zusätzlich unterscheidbar.
Es ist also von diesem Grundsatz aus gedacht eine sehr gute Idee, auch in deinem Marketing Persönlichkeit zu zeigen und nicht nur stumpf von Produktmerkmalen, Zahlen, Daten und Fakten zu reden. Weil Menschen eben von Menschen kaufen. Weil du dich von den vielen vielen anderen unterscheidest, die eben den Fokus rein auf Zahlen, Daten, Fakten und klassischen Mehrwert legen und gar keinen Blick auf sich als Mensch gewähren.
Authentisches Marketing um jeden Preis?
Aber wie weit müssen wir gehen?
Müssen wir denn wirklich die allerintimsten Geschichten auspacken, um eine gute Story erzählen zu können? Weil Storys ja schließlich verkaufen…
Ist es tatsächlich notwendig der ganzen Welt vom schwärzesten unserer Tage mindestens bis zur Zeichenbegrenzung, oder gar darüber hinaus zu erzählen, um authentisch rüberzukommen?
Müssen wir immer noch eine Schippe mehr draufpacken, weil Persönlichkeit zeigen ja so wichtig ist? Was könnte die nächste Story werden, wo man ja schon so viel auf den Tisch gepackt hat?
Ich beobachte den Trend zum Seelenstriptease am Fließband im Marketing, der oft verbunden mit der Hoffnung, man könne dem strengen Algorithmus doch noch ein, zwei Prozentpünktchen mehr Sichtbarkeit entlocken, mit einer gewissen Verwunderung. Oder Sprachlosigkeit. Ich kann es gar nicht genau benennen.
Manchmal denke ich: Puh, ich hätte auch eine Menge zu erzählen, aber gleichzeitig will ich nicht jede Wunde öffentlich zeigen. Weil es gar nicht notwendig ist, dass jeder sie sieht. Weil ich nicht finde, dass wir als Personal Brands, als Menschen hinter unseren Businesses jedes Pflaster abreißen und einmal im Kreis präsentieren müssen. Weil nicht alles überall hingehört.
Trotzdem geschieht auch Identifikation über unsere echten Geschichten.
Ein Berufungscoach, der mir davon erzählt, wie kreuzunglücklich er selbst einmal in seinem Job war und was für ein anderes Leben das heute ist, seine Berufung zu leben: Wow, was für eine schöne Story und wie mutmachend, wenn auch ich gerade an einer ähnlichen Stelle stehe. Inspirierend!
Die Grafikdesignerin, die von einer persönlichen Phobie erzählt und wie sie diese überwunden hat. Hat zwar nichts mit ihrem Design zu tun, aber darüber entsteht Verbindung, weil wir diese Phobie vielleicht teilen und damit irgendwie auch in einem Boot sitzen.
Authentizität zeigen und trotzdem deine Grenzen wahren
Fakt ist: Wir wollen uns erkennen und wir wollen uns verbinden. Das macht uns Menschen aus. Und es ist so schön, wenn echte Verbindung gelingt.
Was mir aber wichtig ist, dir zu sagen: Es gibt keine Pflicht immer NOCH eine Ebene tiefer zu graben und alles offenzulegen, nur um stattzufinden. Du kannst, musst aber nicht alles in deinem Marketing „verwerten“. Du kannst, musst aber nicht jede Geschichte mit der Welt teilen. Du darfst Dinge für dich behalten, auch wenn sie eine Knaller-Story abgeben würden.
Du darfst sie nur in Teilen erzählen. Oder erst später. Oder gar nie.
Du darfst deine Sicht auf Themen teilen.
Du darfst Dinge anreißen, ohne sie bis ins Detail auszuschmücken.
Und du darfst natürlich auch genau das Gegenteil tun.
Was entscheidend ist: Du hast immer die Wahl, vollkommen egal, wie streng oder anspruchsvoll irgendein Algorithmus auch werden mag.
Geschichten finden sich auf allen Ebenen und du entscheidest, wie tief du gehst und was du teilst. Auch, wenn es immer voller wird. Dich gibt es jetzt und auch in Zukunft nur einmal in diesem Raum – gleichwohl, wie viele noch dazukommen.
Erzähl Geschichten, mit denen du dich gut fühlst
Nutze Geschichten unbedingt, sie sind so wertvoll. Aber nutze sie nur, wenn du dich wohl mit ihnen fühlst, nicht weil du denkst, du müsstest irgendwie noch mehr „abliefern“, um aufzufallen. Erzähle Geschichten. Aber um der echten Verbindung willen, nicht wegen des Superlativs im „Wie kann ich denn noch irgendwie auffallen“-Game.
Und, um das Ganze abschließend noch aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Storytelling meint nicht automatisch autobiografische Berichterstattung, sondern kann auch ganz anders aussehen. Wir können zum Beispiel unsere Kund*innen zu den Held*innen unserer Geschichten machen.
Mit ihnen Zukunftsmalerei betreiben. Oder ihnen zeigen, dass wir sie verstehen.
Wie geht es dir mit Authentizität im Marketing?
Lass gern mal hören: Wie geht es dir mit dem Thema? Wie geht es dir damit, sehr tiefgehende Geschichten anderer zu lesen? Oder deine eigene zu teilen? Möchtest du gerne mehr teilen, weißt aber nicht was? Schreib es mir in die Kommentare, ich freu mich sehr auf deine Sichtweise!